4.Tag
Zum vorhergehenden Tag der Tour...
Am nächstem, dem 4. Tag, empfing uns wieder ein Bombenwetter. Der Idrosee lag wie gemalt vor uns im Morgenlicht.
Das Frühstück ließen wir uns in aller Ruhe schmecken und nach der Anstrengung am vorherigen Tag hatten alle keine Eile. Ich las den Corriere della Sera in dem die Schlagzeile lautete: Hitzerekord! In Mailand und Turin hatte es 39°C gehabt, die gefühlte Temperatur betrug aber wegen der hohen Luftfeuchte über 50°C! Das Gute an dieser Nachricht war, dass es wohl die nächsten Tage sehr schön sein würde, das Schlechte daran, dass die Temperaturen kaum sinken würden. Die Gruppe A bestand wieder aus Johannes, Ralf und mir, Erich war nicht aufgetaucht, ein Kontrollanruf bei ihm zuhause erbrachte dass er noch in Bozen saß und auf einen neuen Anlasser wartete, der bald eintreffen sollte. Um halb zehn ging es endlich los, zunächst auf die andere Seeseite nach Anfo und dann hoch zum Passo del Maniva. Wie am Vortag ging es gleich richtig los, Kurve an Kurve windet sich das Teersträßchen den Berg hinauf, unterhalb der Idrosee, auf den man eine tolle Aussicht hat. Unterwegs fuhren wir hinter einem alten 500er FIAT hinterher, der nicht nur drei Personen den Berg hinaufbringen musste, nein, sondern auch noch auf dem Dach einen riesigen Heuballen gebunden hatte!
Oben angekommen war ein Stück frisch geteert, aber dann wurde es interessant: die ausgesetzte Straße mit Galerien, Tunnels und immer wieder fantastischen Ausblicken.
Zum Teil war die Strecke durch Felsbrocken im Tunnel verengt.
Nach dieser Panoramastrecke ging es hinüber auf dem Plateau an Pferdeherden vorbei in Richtung Passo Croce Domini. Das letzte Stück zum Pass düste wieder mal Johannes mit Schmackes vorbei, die kurze Abfahrt war etwas kniffliger, denn man will ja nicht mit dem Ziel vor Augen auf die Plauze fallen. Die am Pass stehenden Chopperfahrer staunten nicht schlecht, als Ralf und ich daherkamen. In die Gegenrichtung starteten zwei Crosserfahrer, die es ordentlich krachen ließen, kein Wunder bei den Maschinen. Den Passo runter hatten wir auch viel Spaß und ich dachte daran, wie ich einmal auf dem verschneiten Pass auf der Strasse übernachten musste. Als wir in Breno angelangt waren, ließen wir aufgrund der vorgerückten Zeit den Schlenker über Schilpario aus sondern machten uns auf dem direkten Weg nach Edolo. Dort wurde getankt und in einem Supermarkt eingekauft, denn wir wollten irgendwo weit oben Brotzeit machen, unten wurde es langsam unangenehm heiß. In Monno ging es dann zum Passo della Foppa rauf, von dort die Hochstrasse über den Passo di Guspessa nach Trivigno entlang. Man hat von dort oben eine Aussicht nach Süden sowie nach Norden in Richtung Berninamassiv.
Selbst auf dieser Höhe von 1800 m war es noch knackig warm, aber deutlich angenehmer als unten im Tal. Bei einem kleinen Teich ließen wir uns nieder und packten aus: Brot, Wasser, Käse, Schinken, Rotwein, Salsiccia etc…das schmeckte!
Mit der Zeit wurde es uns ganz schön warm, was Johannes zu seinem ersten Lederkombistrip verleitete. Leider mussten wir wieder ins Tal und von dort zum Passo dell'Aprica. Ein paar schöne Kurven später waren wir in Tirano und überquerten die Grenze zur Schweiz. In Poschiavo kamen wir an der Herberge von vor zwei Jahren vorbei. Johannes rief mir zu anzuhalten und eine Pause zu machen. Na ja, da wir gerade erst die Mittagspause hinter uns hatten, dachte ich dass wir besser auf dem Berninapass anhalten, denn dort würde es mindestens 15°C kühler sein. Irgendwann hielt Johannes plötzlich an, riss sich unter Stöhnen und Jammern Helm und Jacke vom Leib und steckte seinen Kopf in den Brunnen mit eiskaltem Wasser. (Lederkombi ab 30 Grad ist Mord....) Ralf und ich sahen uns verdutzt an, denn es war schon heiß, aber dem Hitzekoller waren wir noch nicht so nahe. Johannes Wärmeisolation war ja schon enorm, erst die körpereigene und dann noch der eng anliegende Lederkombi, der sich natürlich schlecht kühlen lässt. Nach der Abkühlphase fuhren wir weiter den Bernina rauf. Dort trafen wir auf die Gruppe B, die wieder mal bei ihrer obligatorischen Rauchpause waren. Die Aussicht auf das Berninamassiv war auch bestürzend: Das ewige Eis wird es wohl nicht mehr lange sein, auch hier war der starke Rückgang der Eismassen in den letzten Jahren offensichtlich.
Hinunter ging es in lang gezogenen flüssigen Kurven bis nach Pontresina, als wir auf einmal in einen Mordsstau kamen. Alleine kommt man natürlich noch einigermaßen voran, aber die anderen müssen ja auch noch nachkommen. Grund war eine halbseitig gesperrte Straße, danach ging es wieder flüssig weiter. Durch St. Moritz und am Silser See vorbei gelangten wir zum Malojapass. Die spektakulären Kurven hinab in das Bergell waren einer der Höhepunkte des Tages. Unten angekommen machten wir am Straßenrand Pause und taten was für unseren Flüssigkeitshaushalt und tranken ein Käffchen und Wasser. Auch nach längerem Warten war von der Gruppe B noch nichts zu sehen, damit war klar dass wir heute Abend länger auf sie warten würden. Das Bergell zu fahren ist immer ein Genuss, mittlerweile ist es leider etwas ausgebaut, aber die hoch aufragenden Berge und die malerischen Dörfer entschädigen dafür. Kilometer für Kilometer wurde es wärmer und wärmer und langsam zogen Gewitterwolken auf. In Chiavenna war es dann ziemlich schwül und ich war froh, dass es gleich wieder zum Splügenpass hochging. Unterwegs blieb ich noch an einer Kreuzung am Vorderrad eines nach rechts ausscherenden Autos hängen, was außer viel Geschrei aber keine Folgen hatte. Tja, Rückspiegel sollten auch mal von italienischen PKW-Fahrern benützt werden. Den Splügenpass rauf wurde es spannend: Es fing zu tröpfeln an und ich hatte keine Lust, den Regenkombi anzuziehen. Auf der nördlichen Seite würde es doch wohl trocken sein. Und tatsächlich, ab der Passhöhe hörte es wieder zu regnen auf. Leider war die Fahrbahn aber ziemlich nass und die zahlreichen Serpentinen machten nicht so richtig Spaß. Ich zuckelte so vor mich hin, dass Ralf schnell näher kam. Mit nassen, schlüpfrigen Straßen hab ich es halt nicht so. Unten in Splügen wurden wir von einer Geißenherde aufgehalten und hatten Gelegenheit ein kleines Päuschen zu machen.
Tatsächlich war es dort trocken, es hatte sogar wochenlang kaum geregnet aber der Rhein führte Hochwasser. Dieses Wasser stammte nicht aus Regenfällen, sondern aus Gletscherschmelzwasser. Der heiße Sommer hatte noch eine weitere Hitzewelle zu bieten, die wir jetzt voll zu spüren bekamen. Dort oben war es wenigstens kühl und wir wollten noch weiter hinaus. Zum Pass hinauf bot sich die Gelegenheit, mal richtig so schön Gas zu geben. Na gut, was halt so geht mit einem ausgelutschten Motor und einiges an Gepäck. Aber für zwei GS 1000 reichte es dann doch noch, hähä. Oben wurde wie immer am Pass eine kleine Rast eingelegt.
Johannes hatte ein starkes Druckproblem, nein, nicht an der XBR, eher ein biogenes. Die paar Schritte zum Haus waren ihm wohl zu weit, er ergoss sich lieber in den kleinen See an der Passhöhe, was heftiges Kopfschütteln bei der einheimischen Bevölkerung hervorrief. (ich pinkle halt gern mit Ausicht*p*) Die Abfahrt in Richtung Bellinzona war ein besonderes Schmankerl, denn auf der alten Passstraße reiht sich Kurve an Kurve, Serpentine an Serpentine. Und das noch mit feinem Teer. Das Tal empfing uns mit steigenden Temperaturen, die sich im Tessin zu einer subtropischen Schwüle steigerten. Nach den letzten Kilometer hinter Bellinzona, die wir mit Seeblick auf den Lago Maggiore zurücklegten, erreichten wir nach 400 km unser heutiges Tagesziel Locarno. Das Hotel Gottardo hatten wir schnell gefunden und bezogen. Ein kleines Hotel, aber noch bezahlbar, denn die Hotelpreise im Tessin können getrost als astronomisch oder als legalisierter Raub bezeichnet werden. Wir mussten noch eine ganze Weile warten, bis die Gruppe B eintraf, geduscht und ausgehfertig war. Da wir natürlich als erste fertig waren und in der Gegend herumstanden, luden uns die sympathischen Hoteleigner noch auf ein Gläschen ein. Als um halb zehn endlich alle beisammen waren, liefen wir kreuz und quer durch Locarno, um noch ein offenes Restaurant zu finden. Das brachte uns ins schwitzen, da es um diese Uhrzeit immer noch 32°C hatte, bei einer hohen Luftfeuchtigkeit. Schließlich fanden wir eine Kneipe, die Pizzas und einen Tisch auf der Terrasse anbot. Eine Pizza und zwei Bier später waren wir wieder mit der Welt im reinen.
Jene Nacht war auch nicht sehr geruhsam, denn die Schwüle ließ keinen tiefen Schlaf zu und wir schwitzten trotz offenem Fenster munter vor uns hin.