Diese vergleichende Ausfahrt ergab sich an einem sonnigen Samstagnachmittag auf den rar gesäten Kurvenhighlights zwischen Schwabach und Beilngries. Dieser Fahrbericht schildert die Gedanken und Eindrücke eines überzeugten XBR-Fahrers der mal kurz auf einer MuZ Skorpion seiner XBR untreu wird.

Zuerst der optische Eindruck:

Für eine verkleidete Maschine eine saubere designte Linie bei der die Proportionen stimmen. Großer Endtopf, Brückenrohrrahmen, Upside-down-Gabel und Sitzbankhöcker fallen ins Auge. Die Miniaturspiegel und Blinker wurden vom Besitzer nachgerüstet und würden manch anderer Maschine auch gut stehen. Sozius möchte bei dem Höcker (Abdeckung abnehmbar) wohl niemand gern sein. Der 160er Hinterreifen macht Eindruck, die lächerliche Kettenführung und der kaum vorhandene Kettenschutz weniger. Der montierte Scottoiler verhilft der Kette zu etwas längerer Lebensdauer und der Felge zu einer gleichmäßigen Dauerölschicht.

Draufsetzen:

Das ledergepolsterte Vesperbrettchen ist bequemer als es aussieht, die Lenkerstummel passen, Bedienamaturen sind gewohnter Yamaha-Standard und alles ist das wo es hingehört. Alles? Nein, im Cockpit mußte Drehzahlmesser und Tacho dem Sportsgeist der Besitzers weichen und so ruht einsam nur ein Sigma-Fahrradtacho, sowie die Kontrolllampen in der Tiefe des Verkleidungsoberteils.

Los geht´s:

Zündung an, E-Start-Knopf und schon läuft der 660 ccm Eintopf. Sofort werden bei mir die Erinnerungen meine erste (Motorrad-)Liebe wach: eine Yamaha SR500 Bj. 84. Dieser (im Kopf leicht getunte, deshalb wohl doch etwas rauher als die Serie) Motor der MuZ, sonst in der XTZ 660 Zuhause, vibriert und klappert trotz Wasserkühlung fast so schön?! und laut wie sein Urvater, der in der XT 500 geboren wurde. Das Verkleidungsunterteil wirkt wie ein Reflektor für die mechanischen Geräusche und das Ansauggeräusch hat nie eine Chance sie zu übertönen. Also wird das nix mit dem (unvergleichlichen) Blubbern-Lauschen beim Gashahnschließen wie bei der XBR.

Gang rein, Füße hoch und HOPPLA, wo sind denn hier die Fußrasten. Gehirn an Füße: ungefähr dort wo bei der XBR die Beifahrerfußrasten sind! Also Knie leicht falten und weiter. Getriebe flutscht gut, Honda-Standard liegt aber etwas höher. Durchzug kommt gut von unten, mangels Drehzahlmesser jedoch schwer einzuschätzen ab wann. Richtig rund geht der Kolben so zwischen 3000 und 6000 U/min (geschätzt!!), danach wird´s zäh bis zum Erreichen des Drehzahlbegrenzers bei 7500 U/min (lt. Johannes, dem Besitzer). Die Vibrationen sind am rechten Griff stufenlos einzustellen, aber in keinem Drehzahlbereich abzustellen oder zu mindern. Erst jetzt merke ich wie ruhig und geschmeidig mein XBR-Motor eigentlich läuft. Die Mehrleistung von ca. 55 MuZ-PS gegenüber der 44 Honda-PS spielt eigentlich nur auf der Autobahn ab 150 km/h eine Rolle. Hier zeigt die Verkleidung eine wesentliche Winddruckentlastung und bei feuchten Sauwetter beiben die Beine sicherlich länger trocken als bei der nackten Honda.

In den engen 180 Grad Kurven der Auffahrt bei Großweingarten will die Skorpion ab einem gewissen Winkel in die Kurve gedrückt werden. Hier fällt meine XBR mit ihrem 110er Reifchen hinten fast von selbst rein, ist jedoch längst nicht so stabil und zielgenau wie diese Skorpion. Ansonsten zeigt sich das Fahrwerk unbeeindruckt von jeglicher Störung auf dem Asphalt. Beim Wenden auf einer Nebenstraße fordern die Lenkerstummel und der somit begrenzte Lenkeinschlag ihren Tribut. Der Wendekreis liegt fast auf Kleinwagenniveau, fahrschulmäßiges Wenden in 3 Zügen sollte ab und zu geübt werden. ;-)

Die Bremsen der MuZ sind vorne wie hinten so wie ich mir das vorstelle: zwei Finger reichen, Dosierbarkeit top und für das Muz-Gewicht fast überdimensioniert. Hier kann Honda mit der XBR-Bremse keinen Blumentopf gewinnen, vor allem nicht mit der laschen Trommel am Hinterrad.

Der Umstieg zurück auf die BubBub-Honda fällt leicht. Ich werde mir der Stärken des Motors dieser bereits mind. 15 Jahre alten Konstruktion bewußt. Laufruhe, Haltbarkeit und vor allem der Sound (wie eine halbe DUC) suchen noch immer vergleichbares bzw. wesentlich Besseres. Ach könnte Honda mir doch meinen Top-Eintopf auf die Räder stellen: Den XBR-Motor mit seiner 83 dB Doppelauspuffanlage, mind 650 ccm (ja,ja gibt´s ja schon in der Vigor, SLR und NX), satten (echten!) 50 PS und das Ganze klassisch mit viel Chrom und Speiche im Stile einer GB 500 Clubman (Gruß an den GB-Stammtisch) mit einem zeitgemäßen Fahrwerk und Bremsen.

Single-Herz was möchtest du mehr?

Vielleicht eine richtig bequeme, zuverlässige, haltbare Tourenmaschine mit Verkleidung, Koffer, mind. 90PS, Kardan und alles zu einem fairen Preis (Neu, ca. 15 Steine)? Gibt´s schon, beim Yamaha-Händler und heißt XJ 900 Diversion. Schande über mein Honda-Herz, aber ich habe schon eine und erspare meiner XBR und mir lange Autobahnanfahrten mit Gepäck und Vollgas ohne Verkleidung.

  (Tester Harald)

Kann Mann als Besitzer testen?

Danke Harald für Test, Text und Bilder. Zwecks besserer Ladedauer habe ich die Bilder noch etwas reduziert.
Wie kommt man eigentlich als XBR Besitzer dazu, etwas anderes zu kaufen, vor allem, wenn man auch noch ein XBR Fan ist? Mein Freund Albert Schönstein (Mangelsfeld 12, 97708 Großenbrach 09708/6261) verkauft als Händler nicht nur Triumpf und Yamaha sondern ist auch noch bei MuZ bemüht. Nachdem auch Rennen gefahren werden, ist in der Werkstatt einiges nettes Material zu sehen. Probefahrten inclusive. Irgendwie muß das ansteckend sein. Ein Anruf im Winter sorgte dann dafür, daß ich Eigner einer MuZ Scorpion Sport Replica wurde. Neu ist die Replika nicht zu bezahlen (15000!!!) - also gebraucht. Ein Einzylinder ist ein Einzylinder! Außerdem gibt es einige Argumente die sachlich nicht zu begründen sind. Simon Powell versteht sein Handwerk!

Warum, Wieso, Weshalb???

Irgendwie ist Robert schuld.... Der ist nämlich immer so schnell ;-) Also dachte ich, gleiche ich die fehlende Fahrerfahrung halt durch ein besseres Fahrwerk, etwas mehr PS und bessere Bremsen aus. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf habe ich mich mit Harald vereinbart um mal eine unabhängige Meinung über die MuZ zu bekommen.
Draufgefaltet auf die Replika, wer schnell sein will muß leiden. Persönlich muß ich gestehen, daß ich Spaß daran habe. Man fühlt sich selbst im Standgas schnell. Und alles geht so leicht... 

Außerdem gehört man ja zu den Harten! Gang rein und hinter dem Harald hergedüst, der kennt sich in der Gegend um Schwabach bis zum Kindinger Berg ja aus (mein Revier ist mehr die Fränkische und der Steigerwald). Ah - endlich die ersten Kurven. Zack-zack Gas gegeben, gar nicht so einfach der ollen XBR hinterherzukommen, Heimvorteil? Hinterherfahren macht allerdings Spaß, der Sound einer XBR ist immer gut! Den hört man bei dem geringerem Eigengeräusch deutlich. Das Gasgeben auf der Muz macht aber auch was her, da bebt und vibriert was, live ist live. Schnell mal vorbei, allerdings nicht in der engen Klein-Klein Kurve, da zeigt sich der Nachteil des 160'er Schlappen hinten, sondern in der langezogenen auf dem Höhenzug vor dem Brombachspeicher. Und die Bremsen! Ja nicht zu arg in die Eisen gehen, sonst muß ich den Harald hinter mir vom Nummernschild kratzen. Technik neuer Stand ist Technik neuer Stand. Jedesmal wenn ich von der MuZ auf meine eigene XBR umsteige bekomme ich an der ersten Kreuzung einen Adrenalinstoß, weil ich zu spät bremse! Also am Brombachspeicher kurz in die Eisen, bei bestem Wetter die Mopeds getauscht und weiter gehts.

Wie eine kleine Enduro

Eigentlich bin ich XBR fahren ja gewöhnt, aber auf Haralds Maschine ist der LSL Superbikelenker montiert. Im ersten Moment wirkt die XBR dadurch ungenauer zu dirigieren. Nach kurzer Fahrt gewinnt der Handlingsvorteil, beim nächsten Blick in den Rückspiegel erscheint die MuZ in weiter Ferne. Was ist los? MuZ kaputt? Ein Blick auf den Tacho zeigt: Ich bin zu schnell. Im direkten Vergleich wirkt die XBR durch ihren unspektakulären Vortrieb langsamer, doch der Schein trügt.

Schräger/

Die Kurven werden ausgesucht und für den Fotografen die bestmögliche Schräglage gefahren. Es geht natürlich immer noch schräger. Jeder auf dem eigenen Moped. Motorrad fahren macht je schräger desto Spaß. Da bietet die MuZ mehr, da sie dank der Bereifung einfach mehr Schräglage braucht. Zielgenau zirkelt die Replika um die Kurve. Entspannt, dank LSL, kommt die XBR daher. Trotz des Altersunterschiedes haben beide Bikes ihre Stärken.

Butter und Brot

Die XBR braucht nur Normal und das sparsam (4.5-5 Liter). Die MuZ Super (5 Liter). Der Tank der MuZ führt durch den fehlenden Mittelsteg (Doppelschleife) zu spürbahrem Benzinschwappen. Der Service (Öl, Filter, Zündkerze...) geht bei der XBR flotter von der Hand und das liegt nicht nur an der Verkleidung.

Bei einem "Race"-Bike kann man auch das basteln nicht lassen. Ich habe die klobigen Armaturen der MuZ entfernt (Reduce to the max) und die Batterie in den 

Tiefen der Verkleidung vor dem Motor versenkt.

Dadurch gewinnt man nebenbei den Platz für die Regenkombi unter der Sitzbank. Die Schwerpunktverlagerung ist allerdings kaum spürbar. By the Way wirft die MuZ schon mal einige Teile von sich. So ist z.B. ein Auspuffhalter, ein Hitzeschutz und der Blinker abvibriert, unnötiger Ballast! An der XBR ist der Basteltrieb nach Anbau einer kleinen Verkleidungsscheibe und eines Scottoilers verschwunden - bike for ever!

Und jetzt?

Für mich steht fest: Beide Bikes haben Ihren Charme.
Die XBR kernig mit bestem Sound. Die Replika mit direktem Fahrbahnkontakt.
XBR die treue Solide (Zitat Robert: "Unkaputtbar").
Replica die Diva, sportlich zickig.

Beides hat seinen Reiz, Motorradfahren lebt aus den Emotionen :-)

(Tester Johannes)