Einmal jährlich veranstalten die Eisenärsche (Iron Butt Association Germany) eine Rally. Dies ist eine Art Schnitzeljagd, bei der es darum geht in einem vorgegebenen Zeitrahmen aus einem Satz an möglichen Bonuspunkten eine optimale Tour zu erstellen und diese im Anschluss abzufahren.
2017 ging es dazu in die Alpen, und da unser Robert als Rally Master verantwortlich zeichnete war auch eine rege Beteiligung aus der XBR-Gemeinde angesagt. So fanden sich im 62 Motorräder großen Starterfeld auch 5 XBRs, die zwischen all den langstrecken-optimierten Maschinen durchaus etwas herausstachen. Die zugehörigen Fahrer waren Richard, Harri, Ralf, Johannes und ich.
Wer jemals mit Robert auf Tour oder bei ihm eingeladen war, der hat erlebt, dass bei ihm Organisation und Gastfreundschaft zur Perfektion getrieben werden. So lud er bereits 2 Abende vor dem Rally-Start zu einem Büffet in sein Elternhaus ein, wo sich alle weit angereisten (die Teilnehmer kamen aus 14 Ländern) und solche die es einfach nur gemütlich angehen wollten, entspannen und beschnuppern konnten.
Am Samstag erfolgte dann der obligatorische Papierkram zur Anmeldung (Versicherungsnachweis, Führerschein, Haftungsausschluss, ...) und die Kontrolle der Fotokamera inkl. eines ersten Bildes mit dem jeweiligen Fahrer. Im Anschluss wurden den Neulingen (Rookies) die Regeln eingeschärft (es ist kein Rennen, Sicherheit geht vor) und das Rider-Meeting abgehalten. Eine Besonderheit bei dieser Rally waren die strikten Pausenzeiten von min. 5 bis 8 Stunden pro Nacht. Auch das Bonusheft würde eine Neuerung aufweisen: Den Schwierigkeits-Grad von 1 (schön ausgebaute Straße) bis 5 (kaum vorhandene Fahrbahn) nach der Denzel-Alpenstraßen-Skala.
Nach einem gemeinsamen Dinner erfolge dann am Abend die lange erwartete Ausgabe der Starter-Flags und der Bonushefte für die erste Etappe (Leg1). Nun wurde es ernst, alle Teilnehmer verkrochen sich auf ihre Zimmer, um ihr Routen zu planen. Obwohl Leg1 nur über 36 Stunden ging umfasste das Bonusbuch bereits etwa 130 mögliche Bonuspunkte und 14 Bonus-Combos. Ein Bonus-Combo gewährt Extra-Punkte, wenn bestimmte thematisch zusammengehörige Bonuspunkte angefahren werden, also z.B. 3 Wasserfälle. Diese Combos haben meist einen extrem hohen Punkt-Wert, so dass man sie einfach mit einplanen muss Ein einzelner Bonuspunkt ist je nach Schwierigkeit etwa zwischen 300 und 3000 Punkte wert, die Combos bringen zusätzlich bis zu 20000 Punkte). Gleichzeitig sind die anzufahrenden Punkte aber meist so weit auseinander oder ungünstig gelegen, dass sie die komplette übrige Planung über den Haufen werfen.
Ich startete also mit meiner Planung für Leg1, Voraussetzung für diesen war min. einen Combo erfolgreich zu fahren. Hört sich einfach an, war aber die erste kleine Gemeinheit des Rally Masters. Bei einer Rally kann und wird immer etwas schiefgehen und wer (als Rookie) nur einen Combo geplant hat und mitten drin auf einmal feststellt, dass er einen Punkt des Combos nicht anfahren kann ... Die zweite Gemeinheit war der am höchsten gewertete Combo: Meet the Rallyteam. Dazu musste an jedem Rallytag über beide Legs zu einem festen Zeitpunkt ein Foto mit einem Mitglied des Rallyteams an einem bestimmten Bonuspunkt gemacht werden. Klingt im ersten Moment wie leicht verdiente Punkte, bei genauerer Überlegung stellt man aber fest, dass man damit schon in Leg1 die Planung für Leg2 beeinflusst. Und wer kann schon ahnen welche hundsgemeinen Orte sie sich für Leg2 ausgedacht haben.
Nachdem ich meine Planung nur 2 mal über den Haufen geworfen hatte fand ich schließlich eine aus meiner Sicht ausgeklügelte Route die statt dem einen sogar vier Combos beinhaltete. Perfekt, schnell noch auf ein Absacker-Bier in die Hotelbar bevor es dann los ging.
Meine geplante Route (blau = Leg1, rot = Leg2)
Tag 1 – 30. Juli, 06:00 Uhr, Miesbach.
Nach einem schnellen Frühstück noch das Moped aufgesattelt und schon ging es los. Ich hatte mir für diesen Tag eine Tour mit relativ vielen Kilometern aber wenigen Bonuspunkten ausgesucht und hatte auch mit dem Wetter sehr viel Glück, es blieb komplett trocken. Alles lief prima, ich klapperte gemächlich meine 4 Combos „Seilbahn“, „Malerei“, „Kirchen“ und „Erdpyramiden“ ab. Gegen Abend kündigte sich dann ein heftiges Gewitter an, so dass ich meinen letzten Bonuspunkt auf den nächsten Tag legte und frühzeitig mein Hotel in Bozen aufsuchte. Dummerweise hatte ich beim Buchen übersehen, dass es in einer Fußgängerzone liegt und durfte so mitsamt Gepäck erst mal 15 Minuten durch die Altstadt wandern während mein Motorrad unbewacht an einer Straßenecke zurück blieb. Im Hotel stand ich dann vor einer Schwierigkeit, die mich von nun an jeden Abend ereilen sollte: Wie erklärt man dem Hotelpersonal ohne die Landessprache zu sprechen, dass man 2 elektronische Quittungen benötigt, auf denen Datum, Uhrzeit und Ort aufgedruckt sein müssen, um damit seine Pause nachzuweisen. Es galten klare Regeln: Kein Pausennachweis -> DNF (Did not finish). Letztlich lies sich aber auch das regeln und ich zahlte das Zimmer bereits beim Einchecken um die Kreditkarten-Quittung für den Pausenstart zu bekommen. Ein paar hundert Meter weiter fand sich auch noch ein Restaurant in dessen überdachten Terrasse ich bei einer Pizza Blitz, Donner und Starkregen des Gewitters genießen konnte.
Tag 2 – 31. Juli, 05:00 Uhr, Bozen.
Ich kaufte mir noch eine Flasche Wasser für die Pausen-Quittung, lies sie stehen, weil ich eine 1-Liter Glasflasche nicht mehr in den Tankrucksack bekam und machte mich in der Dunkelheit auf den Weg. Ich musste ja noch den verschobenen Bonuspunkt vom Vorabend reinholen. Wie sich zeigte war die Anfahrt dorthin natürlich ein notdürftig geteerter Weg mitten durch den dunkelsten Wald mit ewig vielen Spitzkehren. Ich kroch also im Schneckentempo den Berg hinauf um genau zur Morgendämmerung mein erstes Foto knipsen zu können. Auf der weiteren Fahrt, gegen 07:30 Uhr dachte ich auch daran, dass ich zwischen 08:00 und 08:30 Uhr eine SMS an den Rally Master schicken musste (auch das war ein Bonus, der ohne Aufwand 2000 Punkte brachte). Gegen 07:50 kam ich an meinem nächsten Ziel an: den Erdpyramiden. Im Bonusbuch war bereits angegeben, dass zu dem Foto ein Fußweg von 800 Metern notwendig ist. Ich packte also meine Kamera, die Starter-Flag und vorsichtshalber das Bonusbuch und machte mich auf den Weg. 800 Meter, etwa 4 Km/h läuft man gemütlich, also 10-15 Minuten Fußmarsch. Weit gefehlt. Was der liebe Rally Master nämlich nicht angegeben hatte: Die 800 Meter waren Luftlinie und es ging über ein Naturtreppen-Geschlängel steil bergauf. Keuchend und fluchend fiel mir gegen 08:15 Uhr wieder der SMS-Bonus ein. Zum Glück, wenigstens den nicht vergessen, das Handy gesucht und ... ach verflixt, es liegt unten im Tankrucksack. 2000 Punkte futsch und diese dämlichen Erdpyramiden auch noch nicht in Sicht. Noch lange nicht. Noch sehr lange nicht. Gegen 09:30 war ich dann endlich oben, vollkommen durchgeschwitzt mit ungefähr 20 verschiedenen Schimpfnamen für den Rallybastard. Aber wie? Ich sehe zwar die Erdpyramiden, aber der Winkel ist komplett anders als auf dem Referenz-Foto im Bonusbuch. Bin ich etwa auch noch falsch abgebogen? Egal, das Foto wird hier gemacht, ich steige jetzt nicht auch noch ab und suche die Abzweigung. Und wehe er lässt es nicht gelten, ich jage ihn quer durch Miesbach...
Die Tortur beginnt: Die Erdpyramiden
Gegen Mittag hatte ich dann wieder eine Kapelle zu fotografieren, allein ich fand die im Bonusheft beschriebene Abzweigung nicht. Es sollte hier einen Parkplatz geben von dem wieder ein paar hundert Meter auf einem Feldweg steil bergauf zu gehen sei. Nach mehrmaligem Auf- und Abfahren hielt ich dann an der Stelle, die mir mein Navi anzeigte und lief den Weg entlang. Nach kurzer Zeit kam auch eine überwachsene Fläche die man als ehemaligen Parkplatz durchgehen lassen konnte. Ich lief den Weg weiter und es wurde auch steil. Zeitglich aber wurde der Weg immer weniger Weg bis ich schließlich vor einer Stelle stand, an der eine relativ frische Geröll-Lawine darüber abgegangen war. Konnte das wirklich sein? Kann ich da drüber kraxeln? Wenn ich das Foto dieser Kapelle nicht bekam, war zudem auch der größte Combo futsch, also weiter. Irgendwann war der Weg aber dann vollends verschwunden, ich sah ein, dass ich falsch gelaufen war und kehrte um. Auf dem Rückweg verlief ich mich auch noch, so dass ich etwa 2 Kurven unterhalb meines geparkten Motorrads wieder auf die Straße kam. Da stand aber ein verwitterter, abgebrochener Wegweiser zu der Kapelle. In der Hoffnung, dass auch niemand anders die Kapelle fand knipste ich den Wegweiser und machte mich wieder auf den Weg. Ich hatte heute bereits genug Zeit verloren und musste bereits alle meine optionalen Bonuspunkte streichen um einigermaßen im Zeitplan zu bleiben.
Mehr fand ich nicht: Abgebrochener Wegweiser
Der nächste Bonuspunkt gehörte wieder zum „Kirchen“-Combo und war wieder mit einem Fußmarsch verbunden. Diesmal ging es zur Abwechslung bergab über unzählige Treppen. Bereits beim Runterlaufen merkte ich, dass ich diesen Weg unmöglich wieder hoch gehen konnte und falls ich es doch schaffte auf keinem Fall mehr in der Zeit war. Ich überlegte mir also nach ein paar hundert Metern ob ich ihn auslassen und umkehren soll, dann hätte ich noch eine Chance die anderen Bonuspunkte zu schaffen. Nein, ich bin schon oft von den Rally Mastern verarscht worden und habe noch nie aufgegeben. Also ging ich weiter treppab und hörte nach einiger Zeit Motorengeräusche. Wie?, hier kann man auch runterfahren, ich werde gleich einen Schreikrampf bekommen. Das zum Motor gehörige Fahrzeug entpuppte sich letztlich als Bus und in mir keimte Hoffnung auf. Unten angekommen lief ich zu der Haltestelle und, oh Freude, der Bus fuhr im 20-Minuten-Takt. Schnell das Foto geknipst, rein in den Bus und gehofft, dass er auch ungefähr da rauskommt, wo ich die XBR abgestellt hatte. Jaaaa! Ich war zwar hinter dem Zeitplan, aber ich war noch im Rennen und hatte für heute nur noch 2 Punkte anzufahren. Der erste war eine weitere Kapelle, die man direkt von der Straße aus knipsen konnte, perfekt. Der zweite Punkt war eine Ortschaft, in der man 5 Wandgemälde fotografieren sollte. Zum Glück traf ich dort auf Mitstreiter, die mir den Weg zu den meisten Bildern erklären konnten (eins davon war durch ein Baugerüst mit vorgehängter Folie verdeckt), so dass ich nur noch eines selbst finden musste. Auch das war schnell gefunden und so konnte ich mit einem Lächeln im Gesicht nach diesem harten Tag Richtung Checkpoint-Hotel düsen und dort meine SD-Karte und das Claiming-Sheet abgeben.
Abends gab es dann wieder ein gemeinsames Dinner, dabei wurden auch die vorläufigen Platzierungen anhand der beanspruchten Punkte (noch nicht verifiziert) ausgegeben. Siehe da: Ich war auf Platz 2. Ich wusste aber, dass ich die eine Kapelle nicht erwischt hatte und war mir bewusst, dass ich wahrscheinlich einen Haufen Punkte verlieren würde. Leider war jetzt aber auch schon klar, dass Richard und Harri ausgeschieden waren, die hatten es nicht rechtzeitig zum Checkpoint geschafft. Und auch Ralf war nicht mehr dabei, er hatte den Combo (Voraussetzung für Leg1) zwar gefahren, aber nicht im Claiming-Sheet angegeben.
Tag 3 – 01. August, 05:30 Uhr, Trento.
Um zu gewährleisten, dass auch alle Fahrer ausreichend Schlaf bekamen wurden die Bonushefte für Leg2 erst an diesem morgen ausgeteilt. Dies hieß aber auch, dass die Planungszeit von der Fahrzeit abging, die erste Entscheidung war also sorgfältig, dafür aber lange planen oder nur den ersten Tag ausarbeiten und früher losfahren.
Das Bonusbuch glich nun eher einem Katalog mit unzähligen Bonuspunkten und 35 Combos. Puh, wo anfangen? Den gestrigen Tag noch in den Knochen nahm ich mir vor alle Punkte mit weitem Fußweg auszuschließen, auch wenn das einen Verzicht auf hohe Combos bedeutete. Zudem war es bereits gestern brütend heiß und ich wusste das Thermometer würde noch weiter steigen. Also war mein Favorit die ehr kühle Schweiz statt der heißen Côte d'Azur. Die Aufgabe für Leg2 war mindestens 10000 Punkte durch Combos zu claimen. Dies war bereits mit einem großen zu schaffen oder durch mehrere kleine. Ich plante mich durch den Vormittag, aber im Gegensatz zum ersten Leg fand ich einfach keine zufrieden stellende Route. Irgendwann lies ich es dann gut sein, zwar unzufrieden aber wenigstens hatte ich wieder 4 Combos eingeplant und war damit auf der sicheren Seite. Als ich in die Tiefgarage kam stellte ich fest, dass ich so ziemlich der letzte war der los fuhr.
Wie befürchtet war es brutal warm und als ich nach nur 15 Kilometer an meinem ersten Bonuspunkt ankam schwitzte ich bereits. Als ich dann noch sah, dass es schon zum ersten Foto wieder steil bergauf zu gehen war kamen ein paar merkwürdige Gedanken zusammen: „Ich mag da nicht hochlaufen. Ich hab sowieso keine gute Route gefunden. Ein Haufen Punkte werden mir abgezogen. Ich lass den Punkt einfach aus und fahr die Rally im Bummel-Modus zu Ende.“ Gedacht, getan und ohne Foto weitergefahren. Bis auf einen Bonuspunkt, den ich wegen einer abgegangenen Lawine nicht anfahren konnte (den aber sicher auch kein anderer) verlief der Tag dann recht ereignislos und ich kam wohlbehalten in meinem Hotel in der Schweiz an und konnte mich daran machen dem Personal meine Pausen-Quittung-Problematik zu erklären. Beim Abendessen entzündeten die Schweizer dann mir zu Ehren noch ein Feuerwerk, ach nein, sie hatten Nationalfeiertag.
Auch das gehört dazu: Streckensperrung
Tag 4 – 02. August, 08:00 Uhr, Bellinzona.
Der Tag des Wassers. Fast alle meine Bonuspunkte hatten heute mit Staumauern, Wasserfällen, Seen oder Flüssen zu tun. Es lief. Und weil es so gut lief ärgerte ich mich umso mehr über mich selbst, weil ich gestern den Bonuspunkt ausgelassen habe. Im Hinterkopf reifte der Gedanke die Route umzuplanen, um am Ende den Punkt ein zweites mal anzufahren und sich damit auch den Combo zu sichern. Ich verfiel langsam wieder in den Rallymodus und so störte es mich auch nicht weiter, als ich am späten Nachmittag zu einem Bonuspunkt kam, bei dem man mal wieder ziemlich weit absteigen musste um dann an einer Führung teilzunehmen um das ersehnte Foto der Teufelsbrücke zu erlangen. Da ich mir nicht sicher war fragte ich den guten Mann der die Führung hielt, wo genau das Foto gemacht werden müsste. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass ich wohl der erste sei, der diesen Bonuspunkt machte (später erfuhr ich, dass auch noch andere ihn fragten und er meinte es sei schon so ein kleiner dicker da gewesen). Nachdem ich von der Grotte wieder hochgetappt war hatte ich für diesen Tag nur noch ein Foto auf dem Plan. Ein Wasserfall an dem ich zufällig auf Ralf traf. Der arme Teufel hatte die Teufelsbrücke noch vor sich. Ich dagegen war durch und konnte so noch einiges an Strecke zu meinem ersten morgigen Bonuspunkt machen bevor ich mir ein Hotel suchte. Dadurch kam ich aber leider erst recht spät im Hotel an und musste feststellen, dass die Küche schon geschlossen hatte. Im Zuge meiner „Ich brauch 2 Quittungen“ – Diskussion mit dem netten Mädel von der Rezeption fragte sie mich auch aus was ich denn da eigentlich täte und so bot sie mir von sich aus an in der Küche noch etwas Schinken und Brot zu suchen während ich duschte. Ich freute mich auf eine Kleinigkeit, doch: Ich war in Frankreich. Kleinigkeiten gibt es hier nicht zu essen und so wurde daraus eine Kaltschale, ein reichhaltiges warmes Baguette mit allerlei Gemüse und einem Riesen-Salat und am Ende noch allerhand Schinken und Käse. Reichlich Zeit also um mich mit ein, zwei Bierchen abzukühlen und im nebenher umzuplanen.
Tag des Wassers - Imposante Staumauer
Tag 5 – 03. August, 07:30 Uhr, Annecy.
Heute standen nur sehr wenige Bonuspunkte, aber lange Strecken auf dem Programm. Darunter auch mein Highlight der ganzen Rally: Das Paradies. Der Colle di Nivolet im Piemont. Ein Pass, der nie fertig gestellt wurde, so dass man die Anfahrt wohl als längste Einbahnstraße der Welt bezeichnen kann. Einfach nur traumhaft und so gut wie ohne Verkehr (es geht ja auch nicht weiter).
Mein neuer Liebling: Das Paradies
Danach galt es noch eine Kapelle zu fotografieren, aber Kapellen waren einfach nicht mein Ding auf dieser Rally: Ich fand sie nicht. An der Stelle die mein Navi vorgab gab es einen Weg in den Wald aber nach etwa einer halben Stunde Umherirrens kehrte ich wieder um. Ich traf 2 Wanderer, die mir aber auch nicht weiterhelfen konnte und so graste ich die Umgebung noch mal mit dem Moped ab ohne fündig zu werden. Frustriert gab ich auf und machte mich auf den Weg, als ich aus dem Augenwinkel nach etwa 2 Kilometern auf einmal ein kleines Gebäude den Abhang runter sah. Ich hielt an und da war sie, was trieb mein Navi da? War es etwa bei der anderen Kapelle auch so, dass mich mein Navi kilometerweit entfernt anhalten lies?
Nun gut, für heute war ich durch, musste aber noch Strecke machen. Um meinen dämlichen ersten Bonuspunkt nachzuholen hatte ich mich für eine lange Autobahnstrecke entschieden und wollte heute noch bis Mailand kommen. Dummerweise verfuhr ich mich auf der Autobahn so dass ich das Hotel wieder erst recht spät erreichte. Wie üblich bezahlte ich das Zimmer gleich beim Einchecken, duschte und ging dann ins Restaurant. Ich orderte ein Bier und lies es aufs Zimmer schreiben, woraufhin der Kellner nach etwa 15 Minuten verwirrt wiederkam und meinte das Zimmer sei schon bezahlt. Ich bejahte, und versuchte ihm zu erklären, dass er eine neue Rechnung aufmachen sollte da ich am Morgen ja die zweite Quittung benötigte. Nach etwa 2 Stunden gab ich auf und zahlte in bar, an der Rezeption versicherte man mir aber, dass ich das Frühstück mit Karte zahlen konnte.
Tag 6 – 04. August, 08:00 Uhr, Mailand.
Ich sattelte auf und sah nebenan an einer Anzeige, dass es bereits 40 Grad hatte. UM 8 UHR MORGENS. Oh Gott, und ich hab noch ein paar hundert Kilometer Autobahn vor mir, ohne jeden Schatten. Ich verfluchte mich zum x-ten mal den Bonuspunkt ausgelassen zu haben und machte mich auf den Weg. Gegen 11:30 Uhr hatte ich das Foto dann und im nebenbei noch festgestellt dass der Anstieg eigentlich ganz einfach war und nur von unten so wild ausgesehen hatte. Jetzt galt es nur noch der Brenner-Hitze zu trotzen, mein nächster Bonuspunkt würde erst wieder Schloß Neuschwanstein sein. Um 19:00 Uhr war Deadline in Miesbach, aber es lief sehr gut. Ich konnte sogar nach 2 zusätzliche Punkte abgrasen und, bereits in Miesbach, einen Mitstreiter ärgern, der mir mit einer BMW hinterherfuhr und dann ungläubig hinterher sah als ich mich mit der kleinen XBR durch die Schranke einer Fußgänger/Fahrrad-Brücke schlängelte. Ich kam rechtzeitig im Hotel an, gab meine SD-Karte und das Claiming-Sheet ab und legte mich dann erst mal in die Badewanne voll kaltem Wasser. Äußerlich abgekühlt machte ich mich auf den Weg ins Restaurant zur innerlichen Abkühlung und ein paar Happen zu essen. Mit vielen tollen Eindrücken endete dieser Abend dann bei reichlich Gesprächen an der Hotelbar.
Das Finale:
Am nächsten Tag stand dann noch das Scoring auf dem Programm. Überraschenderweise wurde mir außer der Kapelle von Leg1 nichts weiter abgezogen, aber durch meine schlechte Planung in Leg2 rutschte ich rasant von Platz 2 ins Mittelfeld ab. Aber egal, ich hatte es geschafft. Leider hat es auch Johannes noch erwischt und er schied aus, so dass ich am Ende der einzige der 5 XBR-Fahrer war, der in die Wertung kam.
Am Abend dann wiederholte sich Roberts Perfektionismus und es gab ein prächtiges Abschluss-Bankett in einer nahegelegenen alten Scheune gefolgt von der Siegerehrung und dutzenden Erzählungen mit lauter strahlenden Gesichtern.
Eine grandiose Rally und eine meiner schönsten Motorradtouren. Mein herzlicher Dank dafür an Robert und all die Helferlein im Rallyteam.
Noch immer bin ich fassungslos darüber, dass Richard im November völlig unerwartet verstorben ist. Ich durfte ihn über die XBR-Alpentouren kennen lernen und schätzte ihn als perfekten Mitfahrer durch seine stets hilfsbereite, freundliche und fröhliche Natur. Mein herzliches Beileid geht hier noch mal an seine Angehörigen und an seinen besten Kumpel Harri.